Samstag, März 04, 2017

Sweet talkin woman

Ich fange diesen Blogpost mit einer Klarstellung respektive Einordnung an, obwohl ich finde, dass es das nicht bräuchte, weil man ja den Blogpost einfach genau lesen könnte und dann schon rausfinden würde, dass man gar nicht angegriffen wird, und obwohl ich weiss, dass es gar nichts bringt, und sich die Leute, die sich angegriffen fühlen wollen, auch angegriffen fühlen werden, wenn ich explizit erkläre, dass ich niemanden angreife, jeder das essen soll, was er will und mir wurscht ist, ob das die nächsten 40 Tage was anderes ist, als den Rest vom Jahr. Als Sekundärliteratur empfehle ich zu diesem Metathema den Blogpost "Quit pointing your avocado at me".

Aber genug der Vorrede, lassen Sie mich zum Thema kommen: Zucker.
Wenn man sich im Elternkosmos bewegt, kommt man nicht drumrum, dass einem immer wieder (real und virtuell) scheinbar unglaublich gesunde Rezepte, weil "ZUCKERFREI", unterkommen.* Und dann wird der Zucker entweder durch Bananen (ich gebe zu, mein Hauptproblem mit der Sorte Rezepte ist, dass ich Bananen ausser im hellgrünen Zustand überhaupt nicht mag und der Bananengeschmack in den daraus resultierenden Kuchen mich total abstösst. Und den Rest der Familie auch), oder Agavendicksaft oder Honig oder Rohrohrzucker oder Kokosblütenzucker oder Dattelmus oder Ahornsirup** oder, oder, oder ... ersetzt wird. Und dann ist auf einmal alles total gesund und viel, viel besser, als wenn man "Industriezucker" verwenden würde. In der Fastenzeit*** häufen sich solche Posts und Rezepte und Aussagen gefühlt noch viel

Tja. Und abgesehen von meiner Bananenaversion und meiner Weigerung, drölfzigtausend Franken für Kokosblütenzucker auszugeben, rollen sich ob diesen Claims meine naturwisschenschaftlichen Fussnägel hoch.

Es ist nämlich so: Weder Bananen, noch Honig, noch Agavendicksaft, noch Kokosblütenzucker, noch Datteln oder Ahornsirup oder Rohrohrzucker sind zuckerfrei.
Und ja, ich höre die Rezeptautoren und Co-Eltern und Faster schon rufen: "Ja, das mag ja sein, aber es ist kein Kristallzucker/Industriezucker, das ist was ganz anderes und viel besser."
Ähm. Ja. Nein.
Lassen Sie mich von vorne anfangen.

Der physiologisch wichtigste Zucker ist Glukose, mit Trivialnamen (das ist Chemikerdeutsch für "Volksmund" oder "Ausdruck, den Nichtchemiker verwenden") heisst der "Traubenzucker".

Ich habe neben den Formelbildern noch kurz (sorry, der Erklärbär ist sehr stark in mir) erklärt, woher der Ausdruck "Kohlenhydrat"kommt. (Hydrat ist der Chemikerausdruck für Wasser, das in irgendeiner Verbindung mit dabei ist. Und die kringeligen Gleich-Zeichen bedeuten, dass das der Wortursprung ist, aber dass man nicht 6 Wassermoleküle mit einem Kohlenstoffatom verrühren kann und dann Glukose rauskommt).

Der zweite Zucker, auf den ich eingehen möchte, ist Fructose, der Trivialname ist "Fruchtzucker".


Wie man sieht: kein sooooo grosser Unterschied, die Carbonylfunktion (das O mit den zwei parallelen Strichen dran bzw. das den Ring schliesst) hängt nicht ersten C-Atom, sondern am zweiten, deswegen ergibt ein Ringschluss einen Fünfring (eine Furanose), nicht einen Sechsring (Pyranose) wie bei der Glukose. (Summenformel auch hier: Kohlenhydrat).

Der dritte Zucker, der heute mitspielen darf, ist die Saccharose, das ist Haushaltszucker, wie ihn Chemiker und Naturwissenschaftler gern nennen.

Wenn Sie sich das Formelbild mal genau anschauen, sehen sie (ich habe Ihnen das mit pink eingekreist), dass ein Molekül Saccharose aus zwei Grundbausteinen besteht, nämlich einem Äquivalent Glukose und einem Äquivalent Fructose.

Und jetzt kommen wir zurück zu Bananen, Kokosblütenzucker und Honig. Man könnte ja meinen, dass Bananen und Kokosblütenzucker Fruchtzucker enthalten, sind ja schliesslich Obst (oder Pflanzen). Das ist auch so (die Diskussion, ob Fruchtzucker nun besser oder schlechter oder gleich gut ist wie Saccharose, die spar ich mir mal), Fruchtzucker heisst so, weil er viel in Früchten drin ist. Und Honig, man weiss ja, dass Honig unglaublich gesund ist, da kann doch kein Zucker drin sein.
Tja.
Kokosblütenzucker besteht zu 94% aus Saccharose ("Sucrose" ist eine andere Bezeichnung für "Saccharose"), Banane enthält pro 100g 3.8 g Glucose, 3.6 g Fructose und, Achtung, 11.02 g Saccharose (aka Haushaltszucker) und auch Honig enthält signifikante Mengen Saccharose (und ansonsten vor allem Glucose und Fructose und sonst nicht besonders viel)

Und deswegen werde ich immer ganz kribbelig, wenn Rezepte, bei denen "Haushaltszucker" durch Bananenhonigkokosblütentrallala ersetzt wird, als zuckerfrei angepriesen werden. Das ist einfach falsch. Und auch die erste Reaktion, die immer kommt, wenn man das anmerkt: "Aber es ist ohne Kristallzucker/Industriezucker/raffinierten Zucker". Das stimmt insofern, dass die Saccharose in der Banane nicht kristallisiert ist, im Honig nur selten und beim Kokosblütenzucker wenigstens nicht raffiniert ist. (Raffiniert bedeutet übrigens nicht mehr als "gereinigt", das sieht man in diesem Video aus der "Sendung mit der Maus" sehr schön.). Wissenschaftlich gesehen ist Saccharose aber Saccharose, ob ich da jetzt eine Bananenschale, eine Kokosblüte oder eine Zuckertüte drumrum mache. Und wissenschaftlich gesehen ist ein Muffin mit Kokosblütenzucker nicht besser als eins mit Zucker aus der Tüte. Nur teurer. Und ein mit Bananenmatsch statt Zucker schmeckt nach Banane, was es für mich deutlich weniger attraktiv als eines mit Zucker macht.

Man kann sich jetzt natürlich fragen, warum mich das so aufregt, es tut mir ja nicht weh, wenn andere Leute Banenenkokoszuckerkuchen backen und damit glauben zu fasten. Das tut es auch nicht, aber es tut mir weh, wenn sie es "zuckerfrei" nennen. Ungefähr so, wie es einem Vegetarier weh tun würde, wenn ich sagen würde, ich lebe jetzt vegetarisch und dazu gehören zB auch Kalbsschnitzel, weil ein Kalb, das frisst ja wohl kein Fleisch. Oder fast jedem Menschen dieser Welt, wenn ich sagen würde: die Erde ist eine Scheibe. Weil das einfach FALSCH ist. (Dass ich das Gefühl habe, man
findet sich dank seiner Bananenkokosblütenmuffins einen besseren Menschen oder zumindest eine bessere Mutter, als die, die Kuchen MIT INDUSTRIEZUCKER zum Geburtstag mitgeben, ordne ich, um den Bogen zum Anfang des Blogposts zu schliessen, als persönliche Avocadomomente ein.)



*Bitte lesen Sie aus dieser ganzen Suada nicht heraus, dass ich der Meinung bin, dass Kinder im Kindergarten (und auch sonst) ruhig ihre Chips mit Cola runterspülen und als Nachtisch eine Milchschnitte mit Caprisonne geniessen sollen. Ich bin, und ja, ich weiss, dass das unpopulär ist, das ist mir aber egal und nicht Thema hier, allergrösster Fan der hier bei uns im Kindergarten verteilten (und dort gelebten und gegen alle Widerstände der Eltern) durchgesetzten Positivliste für das gesunde Znüni (und ja, da steht auch "zuckerfrei" drin und Obst ist trotzdem gemeint, aber meine Güte...).

** Und bitte: wenn Sie zB Kokosblütenzucker verwenden, um einen befreundeten Kokosblütenzuckerbauern oder das Prinzip des fairen, biologisch einwandfreien Kokosblütenzuckeranbaus zu unterstützen, oder Ahornsirup oder braunen Zucker oder Honig, weil Sie den Geschmack mögen: bitte, danke, gerne, super, ich liebe den Geschmack von Ahornsirup und braunem Zucker. Aber ich glaube nicht, dass sebergemachtes Knuspermüsli mit Ahornsirup oder Zimtschnecken mit braunem Zucker besser oder gesünder wären als mit Honig oder "Industriezucker"

*** Auch hier: fasten Sie so viel, wie es Sie glücklich macht. Wirklich. Ich mache das nicht und ich habe durchaus valide Gründe, warum ich das nicht mache und warum ich bei manchen Fastereien meine Augen rolle, aber das ist weder Thema des Blogposts, noch sollte es Sie davon abhalten zu fasten, was oder wie Sie wollen. Und wenn es das Tragen eines linken Sockens an geraden Tagen ist.

41 Kommentare:

Cornelia hat gesagt…

Und der Unterschied zwischen Saccharose und Glukose/Fruktose separat (oder diversen stärkehaltigen Geschichten, von Reiswaffel über Spaghetti bis Vollkornbrot) geht beim Verdauen und Verstoffwechseln dann ja sowieso flöten ...

Frau Budenzauberin hat gesagt…

Dankedankedanke dafür! Ich habe eine Schwester, die genau dieses Kokosblütenzuckertrallafitti glaubt, der schicke ich diesen Beitrag mal. Wohlwissend, daß sie es dann dennoch besser weiß.

stickmurmel62 hat gesagt…

Daaaaaanke, mein innere Monk kriegt auch immer Würgereiz bei diesen "das ist aber hoffentlich zuckerfrei" Nummern.


LG Viola

Mareike hat gesagt…

Ich sag enfach nur mal: DANKE! Mein Reden!

daudlmaus hat gesagt…

Herrlich wissenschaftlich aufgedröselt :)
Könnten Sie so eine Abhandlung auch mal über die verschiedensten Salzsorten verfassen, ich denke an Himalayasalz und fleur de sal und was es da so alles gibt und von dem ich denke: ist trotzdem "nur" Salz und unterscheidet sich in absolut geringsten Spuren nur im Mineralienzusatz.

Aber egal, hauptsache es schmeckt. Und außer im Smoothie kann ich auch keine Banane ertragen.

Unknown hat gesagt…

Herrlich, ich bin begeistert. Können Aie bitte das gleiche auch mal für Salz machen? Denn meiner Meinung nach (bin kein Chemiker) ist Salz ganz einfach Salz, egal ob aus Bad Reichenhall oder dem Himalaja.
Nordische Grüße von Iris

PaulineM hat gesagt…

Der Mensch ist/isst, was er glaubt. Dank Internet sitzen wir alle dann bei den modernen Glaubenskriegen in der ersten Reihe und dürfen mit vermeintlich bösen Lebensmitteln werfen. Und im nächsten Jahr ist roter Zucker viel gesünder als blauer Zucker. (Aber verraten Sie das noch niemandem, sonst müssten wir uns heute schon deswegen streiten.)

Pilli hat gesagt…

Werden solche Ersatzmittel nicht deshalb eingesetzt und als gesünder eingestuft, weil sie
mehr Vitamine und Mineralstoffe als herkömmlicher Industriezucker haben? Klaro, auf die
gegessene Menge ist das nicht viel, aber jedoch immerhin etwas?

LeiseSprechenderweise hat gesagt…

Also vielen Dank für die Mühe, das alles niederzuschreiben! Ich wusste davon einiges, aber nicht alles. So dachte ich z.B. Bisher auch, dass Obst alleinig Fructose erhalte (der Tatsache, dass es sich hierbei um Zucker handelt, bin ich mir aber stets bewusst gewesen ;-) ). Dass auch andere Zuckerarten enthalten sind, ist neu für mich. Ich habe bisher die Zuckerarten hinsichtlich ihrer Eigenschaften auf den Stoffwechsel über einen Kamm geschert (und eben grob abgespeichert: geht schneller ins Blut als langkettige Kohlenhydrate) - dem ist dann wohl nicht so, wenn man sich die chemischen Unterschiede ansieht?
Grundsätzlich finde ich es aber ok, wenn bei ernährungstechnisch ungebildeten Menschen ankommt, dass Früchte eben keinen Zucker haben, und wenn das dazu führt, dass eher Früchte gegessen werden als Snack statt verarbeitete Lebensmittel. Das ist dann vielleicht nur die halbe Wahrheit, aber die Energiedichte von Früchten ist (außer viell. bei Datteln, und getrockneten Früchten) eben doch meistens geringer als beim Schokoriegel.

Kirsten hat gesagt…

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Außer dass Carpi-Sonne nun Capri-Sun heißt - aber das ungünstige Zuckerverhältnis wird sich dadurch nicht geändert haben. ;)

LG, Kirsten

Unknown hat gesagt…

Also, ich und Deine Kommentarfunktion werden keine Freunde mehr. Trotzdem Danke für den Artikel. Und meine zwei Verständnisfragen:

Also, ich höre immer wieder, dass der Körper bei Fructose, bzw. Obst, ja schon mehr Energie braucht, um überhaupt daran zu kommen (Kauen, Aufspalten, Verdauen...) Im Endeffekt ist es, glaube ich das Argument: Gesamtaufnahme geringer. Oder so.

Das zweite: Wenn Saccharose aus Fructose und Glukose zusammengesetzt ist: Ist es dann nicht doppelt stark?

Das Problem immer mehr, immer jüngere Adipositas-Patienten ist ja real. Alles nur ein Problem der Zucker-Menge (Apfel vs. Schokoriegel)?

LG
Jette

Tagpflückerin hat gesagt…

Danke! Meine Rede (wenn ich es fachlich so fundiert ausdrücken könnte :D ). Und mir gehts wie der Frau(?) Daudlmaus: Thema Salz mit Ihren Kenntnissen erklärt, würde meiner Seele gut tun. A´la "Wusst ich´s doch!"
glg

Anonym hat gesagt…

Danke! *rührt den weißen Würfelzucker im Darjeeling um*

Martina

Queergedacht.de hat gesagt…

Ich habe mich sehr amüsiert beim Lesen. Frau Brüllen, Sie werden mir immer sympathischer!

MehrMeer hat gesagt…

Ganz großes Danke schön, die Ausführungen nehmen mir eine Menge Druck weg! Ich reduziere sowieso Zucker in allen Rezepten und bin jetzt sehr froh "Diskussionsmaterial" bekommen zu haben.
Herzliche Grüße Ingrid

Sunni hat gesagt…

Supertext! Danke! Auch für die Mühe, das verständlich zu machen. Ich bin Diabetiker, da muss ich von all dem möglichst lassen, und es ist dem "Zucker" in meinem Blut egal, welcher er ist...Aber das "Zuckerfrei" hat mich schon lange genervt!LG Sunni

... hat gesagt…

Sehr hübsch. Danke. Und ja, bitte auch für Salz!

Anonym hat gesagt…

Ich las ja neulich über den Zuckerrübensirup einer bestimmten Marke, dass da - SKANDAL! - nicht nur Zuckerrübensirup drin sei, sondern auch... ZUCKER!!!

RHS hat gesagt…

Sehr gute Feststellung. Die Verschleierung der natürlich vorkommenden Zucker ging mir auch schon gegen den Strich, zumal es unglaublich viele glauben! Ganz besonders finde ich in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Verstoffwechselung von Glucose und Fructose in unserem Körper, sowohl die schon als Abhängigkeit zu bezeichnende Gewöhnung des Gehirns, mit Zucker an allen Ecken "belohnt" zu werden. Kann jedem nur empfehlen zwei Wochen oder so mal wirklich(!) auf natürlichen und raffinierten Zucker zu verzichten. Sicher, einiges schmeckt dann ziemlich dröge und man wird auch ein bisschen aggro ... wie das eben bei jedem "Entzug" so ist ... aber man entwickelt nach und nach wieder eine höhere Sensibilität für Süßes. In der Natur (also, wenn wir uns mal das Mammutfell überwerfen und mit der Keule losziehen würden) ist Süßes nämlich wirklich selten und ne echte Belohnung ... und nicht omnipräsent und ubiquitär.
Ein anderes Ding ist wirklich die Verstoffwechselung. Wenn sich also hier im Blog jemand befindet, der noch einmal erklären möchte, was Glucose und was Fructose im Blut, dem Darm, der Leber und im Gehirn so alles machen, würde ich mich freuen.
[noosphaere.de]

m hat gesagt…

Vielen Dank für die Aufklärung! Nun frage ich mich, gibt es denn etwas, das süß schmeckt, aber keine Glucose/Fructose/Saccharose enthält?

Unknown hat gesagt…

Ich stimme dir beim Thema Zucker voll zu. Habe aber eine Frage zu der Positivliste:
Ich finde es sehr bedenklich wie omnipräsent Reiswaffeln in unserem Elternfreundeskreis sind. Die Kinder knabbern dauernd auf ihnen rum - praktisch, dass stellt sie ruhig... Aber so lernen sie nie, dass es auch Pausen zwischen dem Mahlzeiten geben muss...
Und viel wichtiger: Das sind doch leere Kalorien inklusive Schadstoffe. Arsen aus dem Reis und von der Erhitzung oft krebseregende Stoffe. In Deuschland warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung, dass man solche Produkte nur selten essen sollte. Warentest sagt das selbe. Ökotest rät bei Kinder ganz von Reiswaffeln ab. Erwachsene sollen wenn dann nur selten welche essen und dann nur die für Kinder ausgezeichneten wegen höherer Grenzwerte.
Meine Frau hat im Oecotrophologiestudium auch gelernt, die Teile sind nichts für Kinder.
Was sagst du als Wissenschaftlerin dazu?

Frau Brüllen hat gesagt…

@RHS: das ist zB was, wo ich mir denke: warum sollte ich mir das antun? Wenn mein Essen fad schmeckt, wenn ich aggressiv werde, nur um zu beweisen, dass ....was? Aus

@Moni Thor: Ich finde es lustig, dass angenommen wird, als Wissenschaftler müsste man zu allem eine Meinung haben :-). Meine Meinung als ganz normaler Mensch mit gesundem Menschenverstand ist: man sollte überhaupt nichts "andauernd zum Ruhigstellen knabbern". Ansonsten (auch hier: gesunder Menschenverstand und genaues Lesen) rate ich dazu, in keine Richtung in Hysterie zu verfallen. Das Bundesministerium für Risikobewertung rät nicht von Reiswaffeln ab, sondern rät davon ab, Babies einzig und allein mit reisabsierten Lebensmitteln zu ernähren. Die Arsen- (und auch sonstige Schwermetallbeslastung) von Lebensmitteln ist in unsere Breiten unglaublich streng regelmentiert und überwacht, dass man von Reiswaffeln in "haushaltsüblichen Mengen" Schaden nimmt, ist so gut wie ausgeschlossen. Bei uns speziell stellt sich dieses Problem übrigens überhaupt nicht, weil keiner von uns den Papp-Geschmack von Reiswaffeln mag, wir holen uns unsere Dosis Arsen aus anderen Lebensmitteln.

RHS hat gesagt…

... und dann wären da noch die Lactose (Milchzucker) und die Maltose (Malzzucker) ... beides Disaccharide, wie die Saccharose.

RHS hat gesagt…

Da es jede Menge verschiedener Zucker gibt, die zum Teil auch Abbauprodukte von Kohlenhydraten (wie Stärke, ein Polysaccharid) sind, bin ich da auch überfragt. Ist aber ne gute Frage. Natürlich gibt es da die künstlichen Süßstoffe. Die sind "natürlich" auch süß. Von denen sollte man aber tunlichst die Finger lassen, da sie nämlich einerseits den Hunger nach Süßem verstärken, denn wenn kein Zucker im Blut ankommt, obwohl im Mund davon die Rede war, ist das Gehirn leicht bis schwer verwirrt und fordert die Lieferung nach. Andererseits handelt es sich bei künstlichen Süßstoffen um Substanzen, die, wie der Name schon sagt, nicht natürlich sind und unser Metabolismus damit nicht wirklich viel anfangen kann oder das Falsche damit anfängt.
D.h., wenn man ein (ungezuckertes ... beim Industrielbäcker ist nahezu jedes Brot mit Zucker versetzt ... macht ja schließlich "süchtig" auf mehr Gezuckertes ... und steigert den Umsatz) Brot lange genug kaut, zersetzt der Speichel die Stärke im Mehl und es wird leicht süßlich. Also, auch wenn vermeintlich kein Zucker drin ist, macht unser Körper Zucker daraus ... normalerweise im Darm, manchmal aber schon in der Mundhöhle. Deshalb ist in ungezuckertes Brot eigentlich kein Zucker, aber uneigentlich schon und schmeckt süß. Wunder der Natur!

Frau Brüllen hat gesagt…

@RHS und @m: immer langsam mit den jungen Pferden. Zwei Klarstellungen:

1. Stärke ist ein Polysaccharid, das aus Glucoseeinheiten aufgebaut ist. Diese Ketten werden im Lauf der Verdauung (und die beginnt mit dem Speichel im Mund) in Glucose aufgespalten und dementsprechend ist in jedem Kohlenhydrat so gesehen Zucker, nicht nur uneigentlich, und genau deshalb essen wir es ja auch, weil, mal ganz ehrlich, ohne Kohlehydrate würde unser Körper nicht funktionieren (jajajaja, man kann auch kohlehydratfreie Diäten machen, dann umgeht man diesen Stoffwechselweg halt), wir brauchen halt einfach Energie. Und das ist nicht so sehr ein Wunder, als simple (Bio)chemie.

2. Zuckerfreie Süssstoffe: ja, gibt es, sei es Aspartam, Xylit, Isomaltit, Erythrulose, Stevia etc. Und auch hier, wie schon beim Arsen im Reis: ich bin ein Vertreter des gesunden Menschenverstandes und das heisst: in vernünftigen Mengen. Ich bin (ausbildungsbedingt( allergisch auf die Verteufelung von "künstlich" vs "natürlich", zum anderen haben diese Süssungsmittel zwar keine Zucker, aber ab einer gewissen Menge (Isomaltit, Acesulfam, Xylit) abführende und blähende Wirkung, das ist irgendwann auch kein Spass mehr. Zusammenfassend kann man sagen: "There is no such thing as a free lunch" oder "Einen Tod muss man sterben" :-). Die vermutete Induzierung von Heisshunger und der dementsprechende Masteffekt von Süssstoffen konnte übrigens einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.

3. Maltose, Lactose etc. klar, sind auch alles Zucker und deshalb finde ich einen totalen Zuckerverzicht (WARUM NUR?) total irrational, weil realistisch nicht praktikabel.

MAZ hat gesagt…

Naja, nach der Logik wären ja die fossilen Brennstoffe nichts weiter als paar Dinosaurier, die man entzündet. Vermutlich hinkt mein Vergleich genauso wie jenen in deinem (zugegebenermaßen wohlgemeinten) Beitrag, dennoch jetzt mal von Chemiker zu Chemiker (ok, Chemieingenieur), wir wissen es doch besser, worauf es ankommt, oder? (da brauchen wir unsere naturwissenschaftl. Bildung gar nicht erst vorschieben. Man muss sich nur daran erinnern, wie mühselig es war, sich mit Bier zu besaufen und wie schnell es mit Wodka geschieht).

Frau Brüllen hat gesagt…

@maz ich verstehe leider nicht, worauf du dich beziehst. ich erinnere deshalb an den blogpost, in dem (executive summary) steht: vieles, was als zuckerfrei propagiert wird, ist nicht zuckerfrei.
was das mit "vorgeschobener" naturwissenschaftlicher bildung und disosauriern zu tun haben soll, erschliesst sich mir nicht.

RHS hat gesagt…

@Frau Brüllen: Stimme Ihnen vollkommen zu: Absoluter Zuckerverzicht ist sinnfrei. Ich bin der Erste, der sich etwas Süßes reinstopft, wenn er dessen habhaft wird. Bin gerade aber mitten in einem Selbstexperiment, bei dem ich auf so viel wie möglich Zucker in allen Varianten verzichte. Noch geht's mir und meiner Umwelt (bisher sind keine Aggressionsopfer zu beklagen) gut. Von nicht langsamen, jungen Pferden kann also nicht die Rede sein ... und vom Verteufeln bin ich ebenfalls sehr weit entfernt, falls hier dieser Eindruck entstand. Dafür bin ich viel zu gemäßigt und zu wenig missionarisch.

Auch wenn ein Heißhunger nach zuckerfreien Süßungsmitteln nicht nachweisbar war, sprich eine vermehrte Insulinproduktion nicht nachgewiesen werden konnte, vermag die Nutzung derselben Geschmacksrezeptoren dazu führen, die Lust auf mehr Süßes zu fördern. Mehr wollte ich hier gar nicht andeuten. Also, alles im grünen Bereich.

In Maßen ist das meiste ja völlig in Ordnung und der von Ihnen erwähnte gesunde Menschenverstand sollte in der Tat das meistgenutzte Maß sein.

Uschi hat gesagt…

Dich hätte ich mal als Chemielehrerin haben sollen, vielleicht hätte ich das Fach dann kapiert. Das mit dem Zucker wusste ich zwar schon vorher, aber endlich habe ich mal anschaulich Formeln erklärt bekommen UND verstanden. Danke!

Anonym hat gesagt…

Eine meiner Lieblingsgeschichten (die sich leider erst nach meinen Auszug ereignet hat)aus dem Studentenwohnheim ist, in der meinen Freunden (Chemiker, Pharmazeutin, Biologin und Mediziner) eine Studentin (Erstsemester) erklärte, dass sie gerade entschlacken würde und deswegen keine Kohlenhydrate äße, sich aber nebenher zwei Bananen reinstopfte. Nachdem die Pharmazeutin dann fragte, was sie sonst noch so essen würde (Kartoffeln) und anfing über "Vollkornzucker" zu reden, wurde sie von einer Horde Naturwissenschaftler unsanft aufgeklärt. Ich wäre zu gerne dabei gewesen... Jedenfalls ist es ein Klassiker bei uns, der immer wieder gerne aufgewärmt wird.

TAC hat gesagt…

Zuckerfrei gibts hier nicht. im Küchenschrank stehen Haushaltszucker und Honig, selten mal noch brauner Zucker.
Allerdings kommen in selbst gebackene Kuchen für gewöhnlich immer geringere Mengen Zucker, als im Rezept angegeben (meist reduziere ich um etwa 1/3). Das ist immer noch süß genug, hat ja auch was mit Gewöhnung zu tun.
Banane im Kuchen find ich übrigens auch bäh.
Vielen Dank für diesen Artikel.
LG von TAC

giftigeblonde hat gesagt…

Danke für den Post!
Und ich wird niemals den Teufel tun und mir einen Kuchen mit Bananenmus zu versauen..die mag ich nämlich gaaaaaaaaaaaaar nicht.
Kokosblütenzucker hingegen finde ich köstlich, nicht weil er ja sooo viel gesünder ist, sondern weil er mir einfach besser schmeckt!

creezy hat gesagt…

Ganz große Liebe zu diesem Post und zu Dir, hier! <3

Kathrin Szabo hat gesagt…

Toller Artikel! Danke dafür!

Unknown hat gesagt…

Gefährliches Halbwissen - in Teilen. Ich gebe Ihnen völlig Recht und bin sehr froh, dass Sie den Kokosblütenzucker-Unsinn als solchen entblößen. Bis dahin bin ich sehr dankbar für Ihren Artikel. Es wird aber deutlich, dass Sie zwar Kenntnisse in der organischen Chemie haben, nicht aber in den Ernährungswissenschaften. DENN: Bananen und Datteln zum Süßen zu verwenden, ist in der Tat sehr gesund und nicht mit der Verwendung von freiem Zucker zu vergleichen. Freier Zucker ist der wissenschaftlicher Begriff für jede Art von Zucker, die mehr oder weniger isoliert wurde. Das umfasst bspw. Haushaltszucker, braunen Zucker, Kokosblütenzucker, Honig, Ahornsirup und sogar Fruchhtsaft. Der Verzehr dieser Zuckerquellen sollte laut WHO und DGE auf 5-10 % der täglichen Kalorien reduziert werden (entspricht 25-50 g Zucker (2-4 EL) oder 1-2 Gläser Fruchtsaft). Der Verzehr von Zucker in Form von Obst hingegen muss nicht beschränkt werden, sondern sollte sogar ERHÖHT werden. Der Zucker aus Obst wird in der Regel langsamer aufgenommen und die Vielzahl an Phytochemikalien wirken auf viele Arten gesundheitsfördernd. Laut der Global Burden of Disease Study, der umfangreichsten Studie ihrer Art, ist zu geringer Obstverzehr sogar der größte ernährungsbezogene Risikofaktor für Tod oder Invalidität.

Ein paar Anregungen zum Lesen:
WHO Guideline: Sugars intake for adults and children (besonders den 2. und 3. Absatz im Abschnitt "Background" auf Seite 7):
http://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/149782/9789241549028_eng.pdf;jsessionid=3103D91DA039B664E7CFFC6A33022217?sequence=1

DGE Position zur WHO Guideline:
https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/position/DGE-Position-WHO-Richtlinie-Zucker.pdf

Harvard Health Letter zum Thema Zucker und Fruktose im Besonderen:
Schönes Zitat: ""[...]. Fruits are not harmful and are even beneficial in almost any amount," he explains. Fruits contain lots of fiber. The fructose is bound to the fiber, which slows its absorption. Even more important, says Dr. Bistrian, "fruits and vegetables contain many other essential nutrients, such as flavonoids.""
https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/rethinking-fructose-in-your-diet

Ausschnitt der Global Burden of Disease Study: (einfach mal mit STRG+F nach "fruit" suchen)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4156511/

Frau Brüllen hat gesagt…

phew, waren studium, diplom- und doktorarbeit und 15 jahre berufserfahrung nicht ganz für die katz.
ansonsten würde ich ihnen empfehlen, den post nochmal zu lesen. da steht nämlich ganz ausführlich drin, dass bamanen nicht zuckerfrei sind. auch nicht "haushaltszucker-" oder "industriezucker"-frei. und das wird wohl auch kein ernährungswissenschaftler bestreiten

Unknown hat gesagt…

Ich verstehe nicht, worauf Sie hinaus wollen?

Frau Brüllen hat gesagt…

dass ich nichts anderes als "bananen sind nicht zucketfrei" schrieb. das ist kein gefährliches halbwissen, sondern tatsache

Unknown hat gesagt…

Ihr Text suggeriert mehrfach ganz deutlich, dass Zucker in Form von ganzem Obst ebenso ungesund sei wie freier Zucker. Das ist falsch. Wenn das nicht Ihre Intention war, haben Sie sich sehr missverständlich ausgedrückt. Ich wurde auf Ihren Artikel in einer Gruppe aufmerksam, in der er gepostet und von der Mehrheit eben so wie beschrieben verstanden wurde. Falls Sie dies also nicht aussagen wollten, müssen Sie die Dinge vorsichtiger formulieren, um nicht unbeabsichtigt schlechte Ratschläge zu geben. Tatsache ist, die Leute, die ihr Gebäck mit Bananen, Datteln o.ä. süßen machen alles richtig und sollten nicht aufgrund sprachlicher Haarspalterei davon abgebracht werden, nur weil sie von "zuckerfrei" anstelle von "frei von freiem Zucker" sprechen. Die zugrundeliegende Annahme dieser Personen (nämlich dass es gesünder ist mit Obst zu süßen) ist absolut richtig. Ihr Text suggeriert das Gegenteil.

Frau Brüllen hat gesagt…

Um das mal ganz deutlich zu sagen:
Das ist ein privates Blog, ich muss hier gar nix. Ich bin der Meinung, dass ich sehr deutlich gemacht habe, um was es mir geht: das weitverbreitete "Zuckerfrei" ist nicht "zuckerfrei". Da können Sie (und wer auch immer) reinlesen, was auch immer Sie wollen, das ist mir ehrlich gesagt wurscht. Wenn Sie unbedingt darüber diskutieren wollen, dann machen Sie das doch in dieser "Gruppe", wo es die Leute anscheinend interessiert und nicht hier auf meinem Blog, wo ausser uns zweien her NIEMAND die Kommentare zu einem Post von vor über einem Jahr liest. Ich möchte das nämlich schon seit ca. 57 Wochen nicht mehr und werde das auch nicht mehr tun.

Anonym hat gesagt…

Love it!! Genau das predige ich auch und es ist erstaunlich wie wenig Leute das wissen (und verstehen und einem glauben). Die Nährwertabelle ist da eine Argumentationshilfe.
Danke auf jeden Fall für den tollen Text!!
Liebe Grüße