Dienstag, August 23, 2016

Klickediklick

Ich bin ja kein Profi in zwischen den Zeilen lesen oder Gesichtsausdrücke interpretieren oder Befindlichkeiten, politische Opportunitäten oder zwischenmenschliche Stimmungen zu erfühlen. Andererseits bin ich auch selber nicht direkt schwierig zu interpretieren, mein Gesicht ist ein offenes Buch. (wobei: erstaunlicherweise schaffe ich es anscheinend doch wenigstens manchmal cool und seriös zu wirken, obwohl ich innerlich laut kreischend im Kreis laufe. So wurde mir nach dem höllischen halben Jahr, in dem ich mit einer 80% Stelle meinen sterbenskranken Chef vertreten habe, meinen Job gemacht und meine Kollegen eingearbeitet habe, ungefragt attestiert, dass ich den Betrieb bedacht und unglaublich ruhig durch diese stürmische Zeit gesteuert hätte. Hat sich nicht so angefühlt...).
Anyway: wenn ich Leute besser kenne, dann klappt das auch mit dem zwischen den Zeilen lesen und Körpersprache interpretieren, vielleicht weil meine unbedarfte Offenheit dazu führt, dass viele Leute mir auch mehr erzählen, als sie eigentlich wollen (es gibt da allerdings ein, zwei Kandidaten, an denen ich mir meine Zähne ausbeisse) und so weiss ich irgendwann dann schon, welche Themen triggern. Sehr schön war das bei einem ehemaligen Kollegen zu sehen, der mir in der allmorgendlichen Besprechung immer gegenüber sass und für den der Ausdruck "mahlende Unterkiefer" erfunden wurde. Wenn das losging, war es höchste Zeit, das Harmoniehörnchen rauszulassen und zu schlichten oder aber diese Energie zu nutzen.

Wie auch immer. Heute hatte ich den ganzen Tag über eine Schulung und mein persönliches Ziel war, mich nicht provozieren zu lassen, am besten keine Meinung zu haben, nicht zu widersprechen und mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen.
Das hat, wie soll ich sagen, mittelgut geklappt. Ich dachte recht lang, ich hätte mich wirklich unter Kontrolle, bis mir mein Sitznachbar die Hand auf meine Hand mit dem Kugelschreiber legte und meinte: "Du, relax mal. Du klingst wie ein Geigerzähler." Schade, das Klicken half sehr gut gegen mein innerliches "aberaberaber." Und so kam es, dass ich beim drölfzigsten sexistischen Witz nicht mehr nur geatmet, noch schneller geklickt und die Augen gerollt habe, sondern ... ach. Nun ja.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bitte die ganze Geschichte erzählen!!!
Dringend!
Liebe Grüße,
Sandra

Bianka hat gesagt…

Sexistische Witze in einem so compiance-orientierten Umfeld? Wie geht das denn? Ich bin ehrlich erschüttert....

Frau Brüllen hat gesagt…

es ist ... ach, traurig. und dumm. (ich glaube, es war eine sehr ungeschickte reaktion auf ein 50% weibliches publikum)

Sarkana hat gesagt…

Scheint ja leider auch 2016 noch weit verbreitet zu sein. Ich war vor kurzem zum Vorstellungsgespräch und die "wichtigste" Frage für den Personaler war: "Chemie - das ist jetzt aber kein normaler Frauenberuf, oder?"

Mehr als Augenrollen kann man da nicht.