Mittwoch, Juni 08, 2016

Fotofinish

Heute morgen standen mir beim Aufstehen dermassen die Haare zu Berge, dass ich das in einem Vorher-Nachher-Bild festhalten musste:


Sozusagen die bestinvestierten 10 Minuten jeden Tag :-). (und sorry, ich schaue auf Selfies immer ernst, weil ich mich total konzentrieren muss :-))

Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war von Frisur und Makeup aber nicht mehr viel übrig und das kam so:
Wie ich vielleicht schon ein- bis maximal 17mal erwähnte, bin ich dieses Jahr ja sogar Teamchef eines Bike-to-work-Teams (heisst nix, ausser dass man die anderen eingeben musste und Mails weiterleiten muss) und nehme das natürlich sehr ernst. Neben "erstes Mal unfallfrei" habe ich mir als Zusatzziel gesetzt, den Weg vom Standort nah am Bahnhof zu uns nach Hause bzw. umgekehrt hinzukriegen.

Sie erinnern sich?

Erster Versuch: mit Google Maps-schnellste Fahrradroute: nie wieder.

Zweiter Versuch: längere Recherche bei Google Maps, mit Input von Kollegen, ich habe den Einstieg geschafft, immer brav auf Google Maps kontrolliert, dabei übersehen, dass das auf einmal wieder auf die vermaledeite kürzeste Route umgeswitcht war und zack, war ich wieder gefangen zwischen Kieswerk und Lastern.

Heute also: dritter Versuch. Mein orts- und fahrradschleichwegkundiger Kollege erklärte mir anhand einer Zeichnung und Google Maps den genauen Weg incl ganz viel: "Lass dich da nicht irritieren, das ist keine echte Strasse, aber mit dem Fahrrad kommst Du da durch."
Ich steckte also die Zeichnung ein und war bereit (Nachmittagsmeeting am Bahnhofsstandort, danach noch eine Stunde dort arbeiten), einen neuen Versuch zu starten.
Während des Meetings trudelte eine Mail unseres Emergency Managements ein:

Warnung von MeteoSchweiz für Basel
 
Gefahr: heftige, stationäre Gewitter, alle Höhenstufen
Stufe: 3
Zeitraum: 08.06.16 - 08.06.16
Uhrzeit: 14:30 - 16:00 Uhr

Weitere Hinweise auf http://www.naturgefahren.ch/

Beste Grüsse
Alarmzentrale
 
Hm. Klang jetzt ja nicht soooo dramatisch, weil ich eh erst so gegen halb fünf loswollte. Also habe ich mich in Radlkleider geworfen, Laptop in den Rucksack gepackt, Regenjacke angezogen und raus vor die Tür..... Hm. Es war zwar nass draussen und tröpfelte noch, aber es sah nicht wirklich so aus, als ob das alles gewesen sein sollte, der genze Westen war nämlich noch kohlrabenschwarz. (Zuhause bzw aus dem Büro des Hübschen sag es ungefähr so aus:
 
 
Der Hübsche sagte mir übrigens hinterher auf den Kopf zu, dass ich dermassen stur und unflexibel wäre, jeder normale Mensch hätte das Rad stehen lassen und wäre mit dem Bus heimgefahren. Das kann man sicher so sehen, andererseits wollte ich mein Rad nicht über Nacht mit suboptimalem Schloss in Bahnhofsnähe stehen lassen, übrigens an einem Standort, an den ich bis Montag nicht mehr hinmuss, das wäre ja sehr mühsam, da das Rad wieder zu holen. Ausserdem: was soll schon passieren, so ein bisschen Regen. Und wie soll ich das dann wieder verrechnen mit nur einem halben Radltag (danke, ich weiss, dass man einfach den Durchschnitt aus allen Tagen rechnet, ist ja nicht so, dass ich mir nicht schon ein kleines Excelspreadsheet mit Makros gebastelt hätte, wo ich nur noch die tagesgenaue Streckenkombination zusammenklicken muss)?
 
Mein Tribut an "das bisschen Regen" war dann, das Laptop im Rucksack in eine Sichthülle zu packen, die Smartphones n den Kosmetikbeutel und den ganzen Rucksack in meine Regenjacke zu wickeln und so in den Fahrradkorb zu packen.
 
Nun denn. Als ich über den Centralbahnplatz fuhr, hörte ich den ersten Donner, als ich durch die Passage im Peter-Merian-Haus fuhr, regnete es mich in jedem Lichthof stärker an und die Ausfahrt war durch einen Wasservorhang geschlossen sozusagen. Ich wartete eine Ampelphase mit zögernden Mitradlern unter dem Vordach, es tat sich aber gar nichts, ausser noch mehr Blitz, Donner und Regen und so dachte ich mir: Krieg ich halt wenigstens Coolnesspunkte und fuhr mit Schmackes ins Inferno hinaus.
 
Schon als ich die Strasse überquert hatte und binnen Sekunden bis auf die Haut nass war, und ungefähr 3cm Wasser in den Chucks schwappten, dachte ich mir, dass Coolnesspunkte eigentlich überschätzt werden. Aber ab diesem Zeitpunkt war es eh zu spät: sobald ich nur langsamer wurde, wurde mir richtig kalt, also kam Unterstellen eh nicht mehr in Frage. Sogar die Vorstellung, mit dem Rad in Tram oder S-Bahn zu steigen und dort tropfend und bibbernd heimzufahren, kam mir unangenehmer vor als Augen zu und durch. Natürlich nicht mit wirklich geschlossenen Augen, wobei eine Brille ohne Scheibenwischer im Sturzregen wirklich unpraktisch ist. Wenn ich mir nicht Sorgen gemacht hätte, dass meine Behelfskonstruktion aus Regenjacke und Sichtmappe nicht wirklich dicht wäre und meine Telefone und der Computer gerade ertrinken würden, hätte es sogar wirklich Spass gemacht. Ich bin mit Vollkaracho durch Pfützen gebrettert, mich hat es nicht mal gestört, wenn mich Autobugwellen nassgespritzt haben. Den Weg habe ich relativ gut gefunden, eine Baustelle an einem meiner alten Arbeitsorte brachte mich kurz aus dem Konzept und irgendwann war ich mir nicht mehr sicher, welche Kombination aus "Da kommst Du mit dem Radl schon durch" und "Dann am besten die Unterführung" und "Da dann quer übers Werksgelände, das sieht nur privat aus, das geht schon" und "An den komischen Wellblechhütten mit was draufgebaut dann links zum Schwimmbad runter" jetzt gestimmt hätte, ausserdem sah ich vor lauter Regenwand keine Wellblechhütten und zack, war ich an einem Kreisel, in dem es gradeaus auf eine Umfahrungsstrecke "Für Fahrräder verboten" ging. Das war der Moment, wo ich kurz ein bisschen frustriert war und aus Trotz einen "Sieht privat aus, aber mit dem Rad kommt man durch"-Schleichweg zurück an die letzte sichere Wegmarke wählte. Das war eine gute Wahl, auf einmal sah ich nämlich weit unter mir das Schwimmbad. Ich drängelte mich also "Da darf man eigentlich nicht wenden, aber es ist stehender Berufsverkehr und mit mir gebadeter Maus auf dem Rad haben eh alle Mitleid" durch die Autos und zack: mit Schwung durch eine fast überflutete Unterführung, am Schwimmbad vorbei, durch die Felder, noch eine letzte Baustelle: daheim!
Erstaunlicherweise war der Rucksack innen total trocken und auch erstaunlicherweise sieht es gar nicht so ätzend nass aus, wie es war, als ich hier daheim unter dem Vordach meine Schuhe ausleere.
 
Glauben Sie mir: war es aber.
 
 
 
Jetzt hoffe ich, dass die Jacke bis morgen trocken ist, es soll ja wieder so ein bisschen gewittern.


Nachtrag: Heute habe ich gelernt, dass ich wohl mit Zug, Tram, Bus oder Auto ungefähr doppelt so lang gebraucht hätte. Schauen Sie sich ruhig mal die Bilder hier an, so war das hier.

8 Kommentare:

obadoba hat gesagt…

"... hätte es sogar wirklich Spass gemacht."

Kann ich nachvollziehen :-)

Wenn man erst mal richtig nass ist, braucht man sich um Pfützen und Wasser und spritzende Autos keine Sorgen mehr machen. Ist ja eh alles wurscht dann.

BTW:
Ich hätte das Rad auch nicht stehen gelassen und ich finde mich durchaus normal ;-)
Weniger wegen unflexibel als wegen 'ich lass mir doch von Wetter nicht in die Suppe spucken!'
Naja, vielleicht doch unflexibel.

Mareike hat gesagt…

Hey und der "Wet-Look" steht Dir ausgezeichnet finde ich. :-)

Respekt fürs Durchhalten, bei Gewitter hört bei mir die Coolness dann doch auf auch wenn ich ansonsten auch bei Starkregen nicht zimperlich bin.

Sigrid hat gesagt…

Ein bisschen verrückt bist Du schon ;-)
Aber ich hätte wahrscheinlich das Rad auch nicht stehen lassen. Vermutlich hätte ich versucht es im Bus mitzunehmen.

Irene hat gesagt…

Nun ja... ich habe die Autos bis in die Stadt hinein zurück stauen sehen und bin mit dem Auto über Deutschland bis Säckingen gefahren, es war nirgends sonst ein Durchkommen. Deshalb: Respekt, dass du heil heimgekommen bist. Und: vielleicht heute dafür "S-Bahn to work"?
Wenn nicht, kann ich nur zu Regenhosen raten.
Pass auf dich auf, schliesslich hast du die Challenge "unfallfrei" zu bestehen ;-).

Meinigkeiten hat gesagt…

Ja, Herzklopfen beim Lesen ... bei Blitz und Donner!!! Ist das ein bisschen verrückt ???? :)!!!!! Puh. Gleich kehre ich mal die Mama hier raus ;)
Frohe Grüße, dass alles gut ging.

sabigleinchen hat gesagt…

Ich war gestern sowas von froh, dass mein freier Tag war und ich nicht nach draussen musste.
Aber das hast du super gemeistert und es ist ja immer so, wenn man schon mal nass ist, kommt's auch nicht mehr drauf an. Jedenfalls auf dem Heimweg nicht. Dann kann man ja warm duschen und sich trocken anziehen danach. Mein Velo will ich auch möglichst nie über Nacht irgendwo stehen lassen.
Wir hatten heute Teamausflug und ich musste mit dem Velo nur bis zum nächsten Bahnhof fahren und wurde dort abgeholt. Muss dann also morgen auch schauen wie ich das im Programm eintrage, so ein Mist. Zieht total den Schnitt runter ;)

Anonym hat gesagt…

Gibt es was Dümmeres, Blöderes, Unflexibleres, Wackligeres, Gefährlicheres wie ein Fahrrad? Wie kann man sowas als Verkehrsmittel ernstnehmen? Ein Arbeitgeber, bei dem man nicht parken kann, soll schauen, wo er gute Leute herkriegt.

Frau Brüllen hat gesagt…

@Anonym: es gibt einen Unterschied zwischen "wie" und "als". Ich kann zB sagen: "Ich habe selten so einen dämlichen Kommentar WIE diesen gelesen" oder aber "Es gibt kaum blödere Kommentare ALS diesen".