Samstag, August 22, 2015

Zen

Heute haben wir es mal anders gemacht als sonst ("Erst die Arbeit, dann das Vergnügen"), einfach weil ich gar nicht wusste, dass die Familie noch mal in die Stadt zum Einkaufen wollte und so sind wir mittags ins Naturbad Riehen (sehr, sehr schön, wobei ich mich schon wundere, dass es ein Freibad von Herzog-de-Meuron gibt. Aber andererseits: es gibt in Basel auch ein Stellwerk von Herzog-de-Meuron und mein neues Büro bauen sie auch, also ist das wohl normal hier)und erst gegen vier in die Kleinstadt, wo dann auch schon nicht mehr so viel los war, wie früher an einem Samstag.
Erst haben wir also (ich habe von unseren alten Schonern nur noch einen Handgelenksschoner gefunden) doch Schoner für den Longboarder gekauft und als die Verkäuferin in Hörweite des superschlauen Verkäufers vom letzten Mal gemeint hat "Ja, können Sie schon anprobieren, wenn Sie wollen, aber gross sind die Unterschiede eh nicht und wenn Handgelenk passt, passen die andêren meistens auch", hätte ich am liebsten ganz laut "Siehste?!" geschrien, aber ich bin ja erwachsen und vernünftig.
Und das ist auch gut so, weil sonst wäre ich bei der nächsten Situation vermutlich ausgeflippt und das wäre ja auch doof gewesen. Es war nämlich so: ich stand im Innenstadt-dm mit den schmalen Gängen, vor mir Little L., neben mir Little Q., beide kauen mir ein Ohr ab und ich suche Spülmaschinentabs. Dabei mache ich einen Schritt rückwärts und rumse gegen etwas. Ich drehe mich reflexartig um, entschuldige mich noch in der Bewegung, erst recht, als ich sehe, dass ich mit dem Hintern gegen einen Kinderwagen gebummst bin. Das klang ungefähr so: "Oh, tschuldigung, ich hab Sie gar nicht, gesehen, ist alles okay? Tut mir echt leid!"
Das Baby hat mich angegrinst und ich dachte, damit wäre alles gegessen. Aber: nein. Die Mutter zischt mich an "Geht's noch? Man kann ja wohl auch schauen, bevor man durch den Laden trampelt! Das ist ja unglaublich! Das ist ein kleines Baby!"
Das fand ich dann schon .... naja mittelangebracht, weil: klar kann man schauen, aber man muss andern mit dem Wagen auch nicht so dicht auffahren und ist ja nicht so, dass ich eine Arschbombe in den Wagen gemacht hätte, oder das Kind aufgewacht wäre oder sonst ein Drama. Es hat nicht mal komisch gekuckt. Aber: Erwachsen, vernünftig. Also habe ich gesagt: "Naja, ich habe mich ja entschuldigt, es war nicht mit Absicht und es ist ja offensichtlich nichts passiert. Was erwarten Sie denn jetzt von mir?"
Die gute Frau war aber auf 180 und so ging es munter weiter: "Machen Sie halt gefälligst Ihre Augen auf, wenn Sie hier rumtrampeln, das ist ein winzigkleines Baby, nicht so dicke Brocken wie Ihre, da ist man vorsichtig und benimmt sich, rabäh, rabäh, kinderfeindliches Deutschland...."
Ich musste innerlich grinsen, wusste aber, dass das äusserlich gar nicht gut ankäme, habe mir auch den Hinweis verkniffen, dass ich sehr wohl die Augen offenhatte, die aber auf der Vorderseite wären und dementsprechend beim Rückwärtslaufen, für das ich mich ja schon entschuldigt hatte, nur von beschränkter Nützlichkeit wären, meine Kinder weder dick, noch das Gewicht relevant, noch Gegenstand der Diskussion wären, sondern habe milde geschaut und gemeint: "Ja, ne, also, dem Baby gehts ja gut, ich kenn das selber, wenn man wenig Schlaf kriegt und Hormone und Nerven am Ende, aber ich habe mich entschuldigt, es war unabsichtlich und mehr kann ich jetzt halt auch nicht tun."
Irgendwie war das aber auch nicht das Richtige, es ging weiter mit "Unverschämt, unglaublich rücksichtslos, das geht so nicht, Trampel, rabäh, rabäh, rabäh." und irgendwie hatte ich dann langsam wirklich genug (auch vom milde schauen), habe zu meine beiden "dicken Brocken" gesagt: "Erinnert ihr euch, dass ich manchmal, wenn ich euch wegen irgendeiner Kleinigkeit zusammengeschissen habe und dann im Nachhinein merke, dass es das gar nicht wert war und sage: "Sorry, Kinder, ich hatte einen langen, anstrengenden Tag, aber meine schlechte Laune an Euch auszulassen, das war jetzt nicht in Ordnung von mir, es tut mir leid?" Ja, gell? Nicht nur mir gehts so."
Und dann musste ich auch langsam los, die Frau war zwar immer noch nicht mit Zetern fertig, aber ich hatte das Gefühl, nichts mehr zur Lösung der Situation beitragen zu können.

Auf dem Rückweg dann beim Zoll (keine Parkplatzdramen immerhin) fragte mich der Zöllner auf einmal nach eingehendem Studium meines Passes "Wohnen Sie immer noch in xy?" Ich dachte ja, vielleicht kennt er da jemanden und ich soll Grüsse ausrichten oder so, und meinte "Ja, klar!". Und dann sagt der doch glatt: "Gell, eigentlich müssen Sie zum Wohnortnachweis immer den Ausländerausweis mitbringen."
Und jetzt kann ich es grad gar nicht glauben, dass ich das letzte Mal, dass eine Zöllnerin das zu mir gesagt hat, nicht im Blog festgehalten habe, weil das wäre 1a-Blogcontent gewesen. Ich hätte jetzt gern drauf verlinkt, aber ich finde es einfach nicht. Kurzfassung: ich habe der Dame, die mir gesagt hat, der im Pass eingetragene Wohnort würde ihr nicht reichen, vorgeschlagen, mich lieber auch noch Heiratsurkunde, Familienbuch, Geburtsturkunde, Abmeldebestätigung aus Deutschland, Wohnsitztbestätigung der Gemeinde und Promotionsurkunde in Kopie und Original vorzeigen zu lassen, bevor sie mir den Stempel draufmacht, weil in der Deutschen Botschaft in Bern und auf den Konsulaten auch diese Dokumente überprüft werden, beovr ein Pass ausgestellt wird und wenn sie den Wohnort schon nicht glaubt, würde ich an ihrer Stelle den Doktortitel und den Namen auch nicht glauben. Und dann ist mir aufgefallen, wie lang die Schlange hinter mir geworden war und ich bin schnell abgedüst.

Nun ja. Heute habe ich dann (ZEN!) drauf verzichtet, dem Zöllner die Frage zu stellen, ob ein zeitlich unbeschränkt gültiges nur innerschweizerisch bedeutsames Dokument wie die Niederlassunsbewilliung (aka C-Ausländerausweis) wirklich ein besserer Nachweis für den aktuellen Wohnsitz wäre als ein von der Deutschen Botschaft ausgestelltes Dokument, das zumindest in gewisser Periodizität unter Vorlage der oben erwähnten Originaldokumente erneuert werden muss, oder ob vielleicht aktuelle Wasser- und Stromrechnungen, am besten noch beglaubigte, dazu besser geeignet werden. Ich habe milde "Aha. Mhm." gesagt und bin gegangen.

Ich bin so Zen, das ist kaum zum Aushalten!

3 Kommentare:

sabigleinchen hat gesagt…

Ach du meine Güte. Das süsse grinse Baby muss die ganze Nacht durchgeschrien haben ;). Toll gelöst, super gemacht.

Anonym hat gesagt…

Solche Phasen sollte man genießen, die gehen schnell genug wieder vorbei ;-)

McMaren hat gesagt…

Ich bewundere dich für deine Reaktion auf die Mutter. :D