Donnerstag, Januar 15, 2015

Währungsspekulanten

Eigentlich interessiert mich Geld nicht besonders. Dann aber habe ich angefangen, erstens Geld zu verdienen und zweitens auf der Arbeit die Verantwortung für Anlagen, Waren und Produkte im Wert von noch viel mehr Geld übernommen. Ich habe schon in meinem allerersten Job gelernt, dass es nicht genug ist, einen "eleganten" Prozess zu etnwickeln (wobei das immer noch mein heimliches Ziel ist), nein, er muss sicher sein, nachhaltig (das geht schon wieder in die Richtung "elegant"), machbar und .... wettbewerbsfähig. Und damit man das beurteilen kann, muss man erst mal berechnen können, wie teuer so eine Produktion eigentlich ist. Und so habe ich gelernt über Standardkalkulation, variable Kosten, Periodenkosten, Overhead, Umlagen, Abschreibungen uuuuuuund, tadaaa, Währungseffekte nachzudenken.
Als Bewohner des deutsch-schweizerischen Grenzgebietes muss man sich in Währungssachen eh auskennen, zumindest muss man zwei Währungen kennen und am besten noch die aktuellen Wechselkurse, die Zinsen in beiden Ländern, die unterschiedlichen Preise für verschiedene Güter auf beiden Seiten der Grenze und lustige Dinge wie "Mehrwertsteuerrückerstattung".
(Wenn es Sie interessiert: im Prinzip ist in der Schweiz fast alles teurer, Ausnahmen bis heute ungefähr halb zwölf: Südfrüchte, Vanille, Kaffee, Benzin, so manche Elektronik, Sofas bei Ikea).

Bei der Bekanntgabe von Quartalszahlen wird immer auch auf das "währungsbereinigte" Ergebnis eingegangen, das je nach Kurs des Schweizer Franken eben besser oder schlechter als das tatsächliche ist. Das hängt damit zusammen, dass die die meisten (ich rede jetzt von in der Schweiz produzierenden Chemie- und Pharmaunternehmen) Rohstoffe im Euro-, Dollar- oder wie auch immer man in China bezahlt-Raum gekauft werden. Die Löhne und Mieten und Steuern und Energien werden in Schweizer Franken bezahlt, die Produkte dann wieder allergrösstenteils (so viele Einwohner hat die Schweiz nicht) in den Euro-,  Dollar- etc.-Raum verkauft.
Ein je nach Marge unterschiedlichen Anteil (so aus dem Bauch raus: je höher die Marge, desto geringer) der Herstellkosten eines Produktes fällt also in einer anderen Währung an, als der Erlös. Und wenn der Schweizer Franken jetzt sehr hoch ist, dann wird das Produkt sozusagen in der Herstellung teurer, weil ja die Löhne in Schweizer Franken ausbezahlt werden (bei der letzten Euroschwäche haben in der Westschweiz einige Unternehmen überlegt, ihre Mitarbeiter in Euro zu bezahlen.), man aber den Verkaufspreis in "billigen" Euros etc. festgelegt hat und dann sozusagen in Franken umgerechnet weniger Geld bekommt.

Deswegen war der durch Devisenkäufe der Schweizer Nationalbank in (für mich) unvorstellbarer Höhe gedeckelte Eurokurs von 1.20 CHF für in der Schweiz produzierende international operierende Unternehmen schon eine tolle Sache und die Aufhebung dieser Deckelung und der rasante Kurssturz bzw. Raketenstart des Schweizer Franken ein Schock.


Aber auch für Privatleute (die ihr Geld wiederum als Gehalt von den Unternehmen beziehen, deswegen ist es wie so oft kompliziert), natürlich besonders in Grenznähe, hat das einen enormen Effekt. Ich sags mal so: der Durchschnittsbürger des Schweizer Grenzgebiets bezieht sein Gehalt in Schweizer Franken, kauft den Grossteil seiner Lebensmittel und sonstigen Anschaffungen im deutschen Grenzgebiet (in Euro!) oder im Internet und lässt sie sich an eine deutsche Adresse liefern und bekommt dafür noch die Mehrwertsteuer rückerstattet. Um seine Internetkäufe einfach zu bezahlen, hat er vermutlich noch ein Konto (in Euro) bei einer deutschen Bank.
Der durchschnittliche Bewohner des deutschen Grenzgebiets arbeitet in der Schweiz, bekommt sein Gehalt in Schweizer Franken auf ein Schweizer Konto, das er per Dauerauftrag regelmässig grösstenteils nach Deutschland leert. Er kauft Elektronik und Vanille in der Schweiz und tankt auf dem Heimweg an der letzten Tankstelle vor der Grenze nochmal voll.

Der Kurssturz von heute hat für die deutschen Grenzgänger den Effekt, dass ihr Gehalt auf einmal um ca 15% gestiegen ist (wenn sie es denn schon auf dem Konto hätten und heute auf ihr deutsches Konto geleert hätten), für die schweizer Grenzbewohner, dass ihr von den deutschen Grenzbewohnern mit Hassliebe empfangener Einkaufstrip "ins Dytsche" nochmal ordentlich rentabler wurde.

Ich finde es unglaublich beeindruckend, was das heute für direkt und live zu sehende Auswirkungen hatte, neben dem Kurssturz der Schweizer Aktien. Die Deckelung war noch keine 20 Minuten aufgehoben, da schwirrte der Flurfunk:

"Gehaltsrunde fällt aus, es gab ja grad 15% Plus"
"Die deutschen Kollegen können heute 15% eher nach Hause gehen"
"Mal schauen, ob die Franken in meinem Portemonnaie schon gewachsen sind, ja, schauen grösser aus"
"Mist, und ich hab gestern noch in der Schweiz vollgetankt....."

Es wurden hektisch Kontostände geprüft und Überweisungsaufträge abgeschickt, die grenznahen Geschäfte in Deutschland haben hektisch Waren nachbestellt, um sich für den Ansturm der Schweizer am Wochenende zu wappnen, den Schweizer Banken gingen physisch die Euros aus oder die Ausgabe wurde direkt grad gestoppt.

Und obwohl ich mich für Geld echt nicht besonders interessiere, finde ich das wirklich spannend (und freue mich, dass der am Wochenende gebuchte Sommerurlaub in Italien noch nicht bezahlt ist. Sollte ich vielleicht grad mal machen.)

5 Kommentare:

sabigleinchen hat gesagt…

Und wir haben beim Amt für Wirtschaft und Arbeit Panik geschoben weil wir Kurzarbeitsbewilligungen ausstellen und nun mit einem Riesenansturm rechnen. Ich hoffe nicht, wird aber wahrscheinlich...
alles hat seine guten und schlechten Seiten.

Anonym hat gesagt…

Und wir waren gerade sehr froh, dass wir unseren eigentlich in der Schweiz in der kommenden Woche geplanten Winterurlaub wetterbedingt dann doch nicht gebucht hatten (der wär dann mal gerade locker 20% teurer geworden) - wo auch immer der Skiurlaub stattfinden wird - die Schweiz wird es definitv nicht....

Sabine

Nele hat gesagt…

Danke für diesen Artikel - jetzt hab ich es verstanden, nachdem ich gestern im Radio die Nachrichten hochkonzentriert angehört hatte. Ich muss sowas aber immer in Ruhe erklärt bekommen, ist so gar nicht mein Thema. :-)

Liebe Grüße
Nele

Unknown hat gesagt…

Meine 2 te Woche als AG in Zürich und ich weiß noch garnicht richtig was ich denken soll :/// mein Männle rief mich nur an und meinte das ich grad eine Gehaltserhöhung bekommen habe... ich habs nicht geblickt ;)
Jetzt zwar schon aber was zieht das alles den nach sich ? Fallen dann Preise in CH - wird wegen der nachfrage in DE alles jetzt teurer und überhaupt...wo soll das hin führen ?? (Die Arme Wirtschaft)
Oton aus der BZ: gewinner sind die Grenzgänger welche in CH arbeiten und in de wohnen..sofern sie Ihren Job behalten *hahah*

Viele Grüße aus Neuenburg,
eine Teilzeit Zürii Juli

Sybille hat gesagt…

Hier so, im Schweizer Mittelland weit weg vom Einkaufstourismus: statt Flurfunk stilles Entsetzen und Angst vor den wirtschaftlichen Folgen für unsere Firma mit Stellenabbau & Co.