Mittwoch, Oktober 01, 2014

Klassentreffen, Vorbereitung

20 Jahre ist es her (naja, und ein bisschen, weil es ja schon Oktober ist und die Abizeugnisse gab es damals im Sommer 1994) und dieses Wochenende ist also Klassentreffen.

Wenn ich jetzt in einer deutschen öffentlich rechtlichen Fernsehproduktion leben würde, würden ein ungeliebter Lehrer tot aufgefunden werden, wir würden vermutlich ein dunkles Geheimnis aus der Schulzeit (noch besser: aus der Nazizeit) aufdecken, vielleicht würde ich mit meinem ehemaligen Schwarm (ist jetzt unwahrscheinlich, weil der lockige Trompeter ja gar nicht in meinem Jahrgang war und wahrscheinlich immer noch nicht weiss, dass ich existiere) ein paar tiefe Blicke tauschen, und der Mörder war jemand, der nichts mit dem ganzen zu tun hat.

Wenn ich in einer RTL-II-Produktion leben würde, würde die ehemalige Klassenschönheit mit dem heissen jungen Musiklehrer von damals anbandeln, dann umgebracht werden und als Mörder wäre der verdächtig, der früher immer gemobbt wurde, aber in Wirklichkeit wäre es der ehemalige Klassenschönling.

Wenn ich in einer kanadisch-amerikanischen Independent Produktion leben würde, würde ich, als eins der uncoolen Geek-Girls von früher mir total fehl am Platz vorkommen, zwischen all den gelackten Versicherungsmaklern und Desperate Housewifes, ich würde entweder mit meinem damals schon seelenverwandten Geek-Kumpel (gerne schwul) oder einem in seinem tiefsten Herzen selber immer schon geekig gewesenen ehemaligen Quarterback und Prom-King auf dem Footballfeld auf dem Rücken liegen, kiffen, mich betrinken (wie das auf dem Rücken liegend gehen soll, müsste man sich noch überlegen), die Sterne betrachten und philosophieren. Sterben würde vermutlich keiner. (Unwahrscheinlich, weil unsere Schule keinen Sportplatz vor Ort hat. Das Sportgelände ist 20 Minuten zu Fuss weg, da laufe ich sicher nicht hin. Ausserdem habe ich in meinem Leben noch nie geraucht, ausser Schokoladenzigaretten und ich verschlucke mich schon, wenn ich im Sitzen philosophiere und trinke)

Wenn ich in einer amerikanischen Komödie leben würde, würde ich als ehemaliges Geek-Girl mit Brille und Hochsteckfrisur auflaufen, dann, wenn die kichernden und glitzernden It-Girls von früher die Tanzfläche stürmen, meine Brille abnehmen, dahinter würden dann strahlend blaue Augen zum Vorschein kommen, ich würde meine hochgesteckten Haare runterlassen und ausschütteln und dann allen zeigen, wie ein uncooles Mädchen von früher heutzutage so abrockt. Lustigerweise würde sich dann noch rausstellen, dass, ach, keine Ahnung, die anderen entweder auch total cool sind oder nur total aufgesetzt hübsch. Man weiss es nicht. Wichtig sind die Haare und die Brille (unwahrscheinlich, weil: ich hab jetzt ja kurze Haare, ohne Brille bin ich blind und meine Augen sind grün.)

In Wirklichkeit habe ich die Teilnehmerliste durchgegoogelt, festgestellt, dass

  • wir deutlich mehr Silvias, Silkes, Claudias und Katrins in der Klasse hatten, als ich dachte,
  • die Internetpräsenz der meisten ..... interessant ist. Bzw. die Sachen, die ich unter den (in Bayern) gar nicht so seltenen Namen meiner ehemaligen Klassenkameraden gefunden habe. (Ich habe allerdings auch mich mit Mädchennamen und jetzigem Namen gegoogelt und auch da kommt wenig, allerdings nicht so vie seltsames, bis auf die Biler, bei denen auf den wenigsten ich drauf bin). Ich bin auf einen Polizist, der von einer nackten verwirrten Frau gebissen wurde, gestossen (Bericht aus einer bayerischen Lokalzeitung), einen Arzt, der den gleichen Namen wie sein politisch aktiver Vater trägt, weswegen ich erst verwirrt war, aber so alt ist er dann doch nicht geworden, einen Umweltaktivistenanwalt (der war nach der Schule ein Jahr auf Kuba auf Solidaritätsreise der Jungen Kommunisten oder so), einen Schauspieler, einen Sänger, der aussieht wie Ross Anthony (oder seine kleine Schwester), ganz viele, die was mit Medien (oder social media) machen, das ist eher die frühere Hipster-Fraktion, und eben viele Claudias und Silvias, die ich in meiner Erinnerung kaum zuordnen kann. Ich bin mal sehr gespannt, wie der Realitätscheck am Samstag aussieht (und die Bisswunde am Polizisten).
  • ach ja: ich hoffe ja schwer, dass auch der eine oder andere Lehrer eingeladen wurde und Lust hat, zu kommen. Ich würde gerne mit  meiner Chemielehrerin von anno dazumal schwatzen und auch mit meinem Physik-LK-Lehrer....

Damit das Ganze nicht zu doof wird, habe ich mich mit dem Mädchenteil meiner damaligen Clique schon zum Vorabtreff zum Mittagessen verabredet, dann werden wir das schon schaukeln. Ach ja, und ich muss mich drum kümmern, wie ich mit dem Taxi nach Hause komme, weil ich fürchte, ganz nüchtern schaffe ich das nicht.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

:-D Wunderbare Szenarien hast du da aufgemalt! Ich hoffe, in der Realität gibt es keine Toten und auch sonst keine unangenehmen Überraschungen. Zu unserem 10jährigen Klassentreffen im letzten Jahr bin ich nicht hingegangen. Vermutlich, weil wir uns dank Facebook bzw. zunächst noch StudiVZ (oh je) nie so richtig aus den Augen verloren haben, ich also durchaus auf dem Laufenden darüber bin, wer nun was macht, und 98% der Leute wirklich nicht wiedersehen möchte.

Ich bin gespannt auf die Nachberichterstattung und wünsche viel Spaß! :-)

Liebe Grüße
Nele

kleine fluchten ♥ hat gesagt…

Also hier ist unser ebenfalls 20jähriges gerade mangels Interesse mal vorsichtig auf den Winter verschoben wurden. Ich kann's verschmerzen, denn gar nicht mal so wenige treffe ich inzwischen sehr regelmäßig auf Elternabenden oder vor der Kindergartentür. Und die Gespräche mit meinen ehemaligen Lehrern gibt es,ü auch, seit meine Große dieselbe Schule besucht....
Alles im Fluss ;-)
Viel Spass und ich warte gespannt auf den Bericht!
LG Tina

Dentaku hat gesagt…

Am Freitag bin ich bei genau der gleichen Veranstaltung (aber wohl für eine andere Schule in einer anderen bayerischen Stadt). Mir wäre jetzt bei den Szenarien spontan noch der Mitschüler eingefallen, der mittlerweile Profikiller geworden ist ... aber alle vorher nochmal googlen ist eigentlich eine gute Idee.

invivo hat gesagt…

Bei uns war vergangenes Wochenende 15jähriges, inklusive Lehrern und Schulführung, weil das Gymi immer am letzten Septembersamstag Ehemaligentreffen veranstaltet. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit, an vieles hätte ich schon gar nicht mehr gedacht, z.B. als der Physiklehrer meinte, wie wir immer im Physiksaal gefroren hatten - aber nicht wegen der Heizung, sondern weils ihm immer so warm war, dass auch im Winter die Fenster zumindest gekippt waren... Irgendwie wars cool, einen Teil der Leute wiederzusehen (nach 15 Jahren! Zum 10jährigen konnte ich nicht und meine Eltern wohnen da schon seit zehn Jahren nicht mehr, so dass ich keinerlei Verbindung mehr habe), auf der anderen Seite dachte ich mir auch, gut dass diese Zeit vorbei ist...
Ich empfehle vorher nochmal in der Abizeitung die Namen anzuschauen. ;-)
Viel Spaß!
Barbara

Dörthe hat gesagt…

Ich hatte in diesem Jahr auch zwanzigjähriges. Und fand es alles sehr merkwürdig. Ob ich zum dreißigjährigen gehe, weiß ich noch nicht.
http://youtu.be/UPOgrtlc_ds
Dieses Video von Prinz Pi eignet sich hervorragend zur Vorbereitung!
Viele Grüße, Dörthe

IO hat gesagt…

Ich hatte dieses Jahr auch 20jähriges, war aber verhindert … wegen irgendetwas ganz wichtigem … Kehrwoche … Einmachtag … Beet umgraben oder so … nein, Johannisbeereenernte war's ;-)

Maike hat gesagt…

Ich hatte in diesem Jahr auch 20jähriges und habe die Einladung dankend abgelehnt.

5jungsmami hat gesagt…

Hihi, viel Spaß :)
Bei mir ist diesen Monat das "Einschulungstreffen" angesagt. 30 Jahre ist es her. Mann fühl ich mich jetzt alt o_O.

Bin auch schon gespannt, was da so los sein wird...
LG KaTe

123Moni hat gesagt…

Ach, liebe Frau Brüllen: wann schreiben Sie den nun endlich, endlich ein BUCH????? ICH würde es sofort kaufen...ihre Wortgewandtheit ist ja echt legendär! -Herrliche Szenen liefen da farbenprächtig vor meinem geistigen Auge ab... ich darf Ihnen versichern, es wird sicher halb so wild...ich hatte letztes Jahr 20-Jähriges...das war sehr interessant - die Zeit allerdings reichte nur zu einer Art "Speed-Dating" , ich wollte ja schließlich mit (fast) jeder/jedem mal ein paar Worte gewechselt haben - habe mich dann auf das Abklopfen der wichtigsten Eckdaten eingeschossen - spannend, dass man mit dem Lebensmodell "KEINE min. drei abgebrochenen Studiengänge, sondern "NUR-Ausbildung" nach Abi" und dem "altbackenen" Familienmodell, Hochzeit, Baum gepflanzt (hihi,) zwei Kinder vom selben Mann, immer noch selbiger Mann, Eigenheim auf dem Land, keine sonstigen, nennenswerten Biografie-Schnitzer, sich da schnell so spießig und allein vorkam.... da gibt es Lebensläufe...au weia... RESPEKT, wie man soviel "amerikanische Komödie" in 20 Jahre bringt - oft allerdings auch echt traurig... zumindest war es echt NETT...und ja: GANZ nüchtern ist sowas schwierig...ich war auch oft so "fremd-betroffen" mit...- reine Solidarität und so... VIEL SPASS !!!!

Moni

Anonym hat gesagt…

In meiner Jahrgangsstufe ( drei Klassen mit 12, 16, 18
Schülerinnen und immerhin auch schon einigen Schülern) fühlte ich mich immer wohl, was wahrscheinlich auch an unseren Lehrern lag, denn die meisten waren ziemlich fies drauf. Haben sich an uns "abgearbeitet" und nach dem Motto "Aussenfeind eint" ....oder so..... hatten wir einen guten Zusammenhalt. Unser 40jähriges Treffen dieses Jahr war super. Man freut sich riesig, wenn man sich noch wieder erkennt und es werden unentwegt die "alten" Geschichten aufgewärmt. Im fortgeschrittenen Alter hat auch das "Konkurrieren" völlig nachgelassen und man ist froh, daß man überhaupt schon so "alt" geworden ist. Ich habe mir ein T-Shirt bedrucken lassen: Abi '74 , denn uns wurde damals das Zeugnis ohne Feierlichkeit überreicht. Offizielles Feiern war da völlig verpönt, nicht mal ein schönes Motto und Abi-Buch gab es. Da wollte ich unbedingt wenigstens nachträglich noch ein Abi-T-Shirt, das ist doch das Mindeste, oder? Das werde ich "stolz" auch in 10 Jahren usw.usw. wieder tragen, versteht sich von selbst ;-) .... was den Jungen recht ist, ist mir ja längst billig (T -Shirt kostete nur 10,95 €, doch der Spaß war unbezahlbar)