Donnerstag, Februar 06, 2014

Wie ich einmal kein Consultant wurde

Ich war ja zu Studienzeit Stipendiatin einer grossen deutschen Stiftung, die neben der finanziellen Unterstützung ein riesengrosses Angebot für ihre StipendiatInnen bereithielt und -hält. Über Sommerakademien, Kontaktseminare, lokale Veranstaltungen, Möglichkeiten, sich an Alumni für Praktikaplätze zu wenden (so bin ich an meinen Praktikumsplatz in San Diego gekommen), alles da. Unter anderem gab (und gibt?) es auch sehr enge Kontakte zu einer der grössten Unternehmensberatungen.
Bei denen war ich dann mal auf einem, wie hiess das gleich.... Kontaktseminar? Keine Ahnung, wir haben Legoskulpturen im Akkord und im Team gebaut, uns nur mit Zeichen verständigt, nur mit Lauten, mal blind, wir haben eine fiktive Optikerkette saniert (jaja, mit 22, da gehen einem die Worte Rationalisierung und Sozialplan noch leicht über die Lippen), wie auch immer, ich fand das interessant, spannend, ich mag ja Lego, also habe ich mich dann nach dem Diplom auf eine Summer Associate-Stelle beworben, was so eine Art halbjähriges Praktikum (nicht notwendigerweise im Sommer) ist. Was ich nicht wusste, ist, dass das Auswahlverfahren für potentielle Summer Associates das selbe (nicht nur das gleiche) ist, wie für potentielle "echte" Consultants. Und so habe ich relativ entspannt im Sommerkleid, weil: hallo, Sommerpraktikum, da mach ich mir mal nicht ins Hemd, wenn es nix wird, dann promovier ich halt und arbeite danach was Richtiges in einem Raum mit verbissenen, schwitzenden Bewerbern in zu eng geknoteten Krawatten und durchgeschwitzten, nur mittelgut sitzenden Anzügen im Akkord kopfgerechnet, Logiktests gelöst und anhand eines halbseitigen Artikels über die Lehrstellensituation in Deutschland einem fiktiven Auftraggeber eine Abschusspräsentation über ein Einjahresprojekt zu diesem Thema gehalten. Ich war von der schauspielerischen Leistung der angeblichen Auftraggeber sehr beeindruckt, von ihrer Gespächskultur (=keine, ich habe keinen einzigen Satz beenden können) eher weniger.
Anschliessend haben die Damen und Herren Auswahlkomittee mir mitgeteilt, dass ich zwar astrein rechnen, denken und legobauen könne, aber noch "zu nett" für eine Beratertätigkeit sei. Ich solle doch promovieren und dann nochmal kommen.
Ich habe also promoviert und bin dann nicht mehr gekommen. Ich finde auch immer noch, dass "nett"* per se keine schlechte Eigenschaft ist, auch im Berufsleben nicht, und dass man es auch "nett" zu was bringen kann. "Zu nett" bin ich übrigens schon lange nicht mehr, ich kann heute durchaus auch deutlich höher gestellten Personen nett (!) und höflich, aber auch deutlich sagen, wenn mich etwas stört. Und so bin ich der Unternehmensberatung eigentlich dankbar, dass sie mich damals nicht wollten. Weil: ganz ehrlich: ich würde nicht in einer Firma arbeiten wollen, wo es als unabdingbar gilt, dass man ein mehrmonatiges Projekt, für das sich der Kunde vermutlich dumm und dämlich gezahlt hat, in einer Abschlusspräsentation vorstellt, für die man sich 10 Minuten vorbereitet hat, mit einer Datenlage, die für ein Grundschulreferat nicht annähernd ausreichend wäre, und das dann noch selbstsicher, von sich überzeugt und als die allein selig machende Lösung.
Aber das ist natürlich nur meine Meinung.

*"nett" im Sinn von "kennt und befolgt die grundsätzlichen Regeln der Höflichkeit, wie ausreden lassen, keine persönlichen Beleidigungen". Nicht wie "nett, die kleine Schwester von....", Sie wissen schon."

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Ich mag ja Lego", ich lach mich schlapp. :-)

Pony Hütchen hat gesagt…

Herrlich!!!

Anonym hat gesagt…

"ich würde nicht in einer Firma arbeiten wollen, wo es als unabdingbar gilt, dass man ein mehrmonatiges Projekt, für das sich der Kunde vermutlich dumm und dämlich gezahlt hat, in einer Abschlusspräsentation vorstellt, für die man sich 10 Minuten vorbereitet hat, mit einer Datenlage, die für ein Grundschulreferat nicht annähernd ausreichend wäre, und das dann noch selbstsicher, von sich überzeugt und als die allein selig machende Lösung." --> JA!!! Genau so denke ich bei jeder Wirtschafts- oder SOX-Prüfung, bei der wochenlang täglich wechselnde Consultants in nur mittelgut sitzenden Anzügen oder Kostümchen mit miserabler Gesprächskultur und überhaupt keiner Terminkultur (Termine vereinbaren? Brauchen wir nicht - wir sind Consultants!) durchs Gebäude springen, munter tonnenweise bedrucktes Papier wünschen, um dann am Ende in 10 Minuten zu sagen was man alles viel viel viiiiel besser machen könnte ;o)

Ein schönes Wochenende wünscht
Ute
*seit 1 Woche wieder Consultant-free*